Vortrag im Rahmen der Vernissage in der Rumänischen Botschaft in Wien, gehalten am: 28/1/2020
Jänner 2020
Der augenscheinliche Blick auf die ausgestellten Werke von Adrian Uncrut drängt zunächst den Eindruck spannungsgeladener Dichotomien auf: Grafiken reizen Skulpturen, das Figurative neckt das Abstrakte und die Materialien liefern sich kleine Geplänkel um die Gunst der Betrachterinnen und Betrachter. Der viel aufregendere zweite Blick enthüllt dann, dass es sich dabei nur um Nebenschauplätze der eigentlichen Fabel handelt, sie sind Medien oder Transportmittel, die durch einen fest geknüpften, leuchtend roten Ariadnefaden mit der Oberfläche jedes einzelnen Werkes verwoben ist. Bewegung heißt dieser Faden und sein erster Anknüpfungspunkt liegt in der Gegensätzlichkeit der Ausdrucksformen Grafik und Skulptur. Während Plastiken per se schon durch ihre Körperlichkeit im Raum das Rezipieren in der Bewegung beschwören – die Betrachtenden geradezu in ihre Trajektorie befördern – entfaltet sich der Reiz der Grafiken zumeist im Stillstand, also in der Unbewegtheit des wahrnehmenden Körpers. Doch Innehalten ist alles andere als das, was Adrian Uncrut medialisiert oder von uns in der Rezeption erwarten würde. Der nächste Anknüpfungspunkt des roten Fadens auf der inhaltlichen Ebene seiner Werke macht das rasch deutlich: Seine Sujets kreisen um Fragen des Deplacements, der Zugehörigkeit, des Exils und damit auch der Heimat. Thematisiert werden diese Fragen durch technische, mythologische, folkloristische und sozialpolitische Anspielungen, die sich durch sein Werk deklinieren. Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei jene Skulpturen ein, die auf Räder gestellt sind. Obzwar natürlich die Räder Teil des künstlerischen Gesamtkonzepts sind, bleiben sie doch isoliert immer ein Vehikel zur (gewaltsamen) Mobilisierung und Beförderung einer Kraft, sei sie zerstörerisch oder fruchtbar. Das Rad für sich genommen, impliziert immer schon eine Bewegung, allein weil es die Möglichkeit darauf verbürgt. Nun sehen wir zwar vor uns weitestgehend immobile Objekte, doch was wir im Werk von Adrian Uncrut beobachten können, ist kein Anhalten oder gar ein eingefangener Moment, sondern diese eine Bewegung, die alle vorhergehenden und alle zukünftigen in sich und diesem Stillstand bündelt. In dieser Inklusion aller Möglichkeiten und der Exklusion aller Bezugsgrößen (wie Anfang und Ende des Movens) innerhalb des vorgegebenen Spiels liegt auch das Überindividuelle seiner Arbeit. Soviel zum Konkreten. Kommen wir zuletzt noch zum Abstrakten. In der uns hier gezeigten Abstraktion perpetuiert die Bewegung gleichsam das Überindividuelle. Der Charme des Abstrakten in Adrian Uncruts Arbeiten liegt in dessen Kleinteiligkeit, was in seinem Fall kein Widerspruch ist. Seine Themen kreisen als Elementarteilchen an der Oberfläche der Skulpturen und so wird etwa die Auseinandersetzung mit dem Mythos immer auch eine mit einem Helden. Denken wir über den Heros nach, so auch zwangsweise über dessen Heldentaten. Was ist nun die letzte Bedingung zwischen einem Helden auf seinem Weg zu heroischen Taten? – Die Bewegung: um heldenhaft zu sein, muss sich der Held deplatzieren. (Denken wir an Odysseus und die etwa 12.000 Hexameter die ihn von seiner Heimat trennen). Doch die Helden von Adrian Uncrut sind keine individuellen, keine konkreten Helden – sie stehen nur für ihre Taten ein. So auch jener, der innerhalb dreier Tage den Tod besiegt hat und sich hier selbst Kreuz ist, (Ich und mein Freund Mircea) oder überhaupt ganz Kreuz ist (Christian I). In ihrer Bewegung, in der Haltung ihres Körpers, ist diesen volkstümlich anmutenden Figuren, eine Reminiszenz an das Leiden der Welt beigegeben. Sie erinnern an, aber sind nicht der gekreuzigte Erlöser. Ihre paraindividuelle Physiognomie ist Projektionsfläche, ihre Bewegung Ausgangpunkt für eine Frage nach Transzendenz, oder nach der Wirkmacht des Glaubens, oder nach der Bedeutung von Compassio, oder nach dem was Heimat ist, oder nach dem was jede und jeden einzelnen von uns bewegt.
Bewegung ist eine Durchquerung des Raumes entlang der Zeit. Adrian Uncrut Werke sind außerhalb der Zeit stehende Perpetua Mobilia; sie hören nie auf sich in der eigenen Unbewegtheit durch ihren Chronotopos zu bewegen.