Gabriela Culic

Rêverie

Oktober 2016

Stille.   

Ein Atemzug.   

Ein Flügelschlag und wir sind frei.

Als Reminiszenz an eine Zeit, in der bloß der Wind und das Krächzen der Vögel die Stille einer menschenleeren Wirklichkeit durchbrachen und das Gleichgewicht der Welt als Urinstinkt in allem Lebendigen wohnte, vergegenwärtigen uns die Werke Culics eine unfassbare, weil nicht greifbare, Sehnsucht. Auf den Schwingen ihrer Vögel, schafft sie in ihren Arbeiten eine ur-, vor-, ja, nebenzeitliche Atmosphäre der Ruhe und Freiheit, in der nichts bedrohlich ist. Es ist, als ob sie uns mit einem sanften, lauen Druck allmählich bei den Händen nimmt und fortführt, der Gegenwart sanft entzieht und uns still und heimlich an diesen Ort bringt, der neben unserem Jetzt ist. Dort ist nur, was sein muss: nichts stört, nichts schmerzt, alles hat seinen Platz. Dort ist Geborgenheit. Fortgetragen in ein Weltzeitalter, das gleichzeitig war und nie gewesen ist, das wir sicher kennen und doch nicht benennen können, begreifen wir hier, wie dort unser Sein.

Als paradoxen Gegenentwurf zu einer schon atemlosen, hoch technologisierten Gesellschaft, in der jeder Zeitbegriff immer schneller im Orbit eines narzisstischen Selbst-Verständnisses kreist, öffnet Gabriela Culic Fenster zu Welten, die, Träumen gleich, außerhalb jeder messbaren Chronologie stehen. Träumen gleich, überlagern sich Culics Wirklichkeitsentwürfe in den vielen, zarten Schichten ihrer Leinwände, verweisen aufeinander, bedingen sich gegenseitig, bleiben aber trotz ihrer eleganten Komplexität nie undurchdringlich. Es ist nämlich immer das eigene Selbst, das in dem tiefen, universellen Harmoniebedürfnis ihrer Farbkompositionen einen richtungsweisenden Kompass durch den multidimensionalen Kosmos ihrer Arbeiten findet. Und dort an diesem Punkt jenseits von Raum und Zeit begegnen wir jener Sehnsucht erneut, jenem stillen inneren Streben, das wir nicht benennen wollen und jetzt ist es auch gar nicht mehr notwendig es zu müssen, denn in diesem Augenblick verstehen wir die Welt. Zumindest im Ausschnitt der Leinwand.

Und dann wird es plötzlich still. Der Nebel senkt sich wie eine wärmende Decke über den, vom Sommer müde gewordenen Boden. Die Vögel treten noch einmal gegen die schwarze lehmige Erde des Winters, halten einen Moment inne ­ und heben ab.

Ein Atemzug.

Ein Flügelschlag noch und wir sind frei.

Schreibe einen Kommentar